Freitag morgen, 4.50 Uhr, nach also gerade einmal erholsamen 5 Stunden Schlaf, bin ich also zwar unerholt und qualvoll und müde aus dem Bett geklettert, aber gleichzeitig eben auch voll Vorfreude – eine der schönen Nebeneffekte einer Fernbeziehung ist der Umstand, dass man nach langen Durststrecken der Sehnsucht auch immer dieses wunderbare Gefühl der Vorfreude empfinden darf.
Mein Flug geht zwar erst um, 12.00 Uhr, aber der einzige Shuttlebus, mit dem ich den Flug verlässlich kriege, fährt bereits um 6.20 Uhr. Duschen, letzte Sachen zusammenpacken, Müll rauswerfen, Blumen gießen…
Freitag morgen, 6.00 Uhr. Ich hab gerade noch ein bisschen Klimpergeld für die Urlaubskasse geholt, einen Kaffee und einen Muffin und warte nun mit circa 10 anderen Reisenden auf das Shuttle.
6.40 Uhr. Das Shuttle ist immer noch nicht da. Unter der Telefonnummer der Reise- bzw. Busgesellschaft – logischerweise – noch niemand erreichbar.
6.50 Uhr. Die Leute fangen an nervös zu werden, ich auch, aber sie etwas berechtigter als ich, da ihre Flüge zwei Stunden früher gehen als meiner. Irgendwer hat eine Notfallnummer der Busfirma aufgetan, unter der man dann erfährt, der Fahrer stünde im Stau, wäre aber spätestens in einer halben Stunde da und alle würden ihren Flug schaffen.
7.10 Uhr. Immer noch kein Shuttle in Sicht. Ziemlich langer Stau. Die Nervosität, Anspannung und die Zweifel ob des Erscheinens des Shuttles bzw. vor allem Erreichen der Flüge steigt expotentiell mit jeder Minute an.
7.10 Uhr. Mein Anruf unter der „Notfallnummer“ verläuft sich im Sande. Es klingelt, aber niemand nimmt ab.
7.15 Uhr. Eine andere Reisende erreicht jemanden, fragt nach einem Ersatzbus. Die Leute müssten ja schließlich irgendwie an den Flughafen kommen.
7.30 Uhr. Zwar versperren zwei Busse anderer Unternehmen die Sicht (und die Parkmöglichkeit für unseren), aber endlich kommt ein Shuttle um die Kurve gefahren. Der Fahrer springt raus, macht Hektik, entschuldigt sich 1.000-fach, räumt den Leuten das Gepäck in den Bus und alle steigen ein. Ob man ein Ticket hatte, wurde nicht kontrolliert. Ich gehe davon aus, dass mindestens 50% der Reisenden heute morgen, kein solches besaßen. Alle waren einfach nur froh, endlich im Bus auf dem Weg zu ihren Flügen zu sein, die sie alle – so der Fahrer – pünktlich erreichen würden. Per Durchsage entschuldigte und erklärte er sich dann nochmal bei uns. Der eigentliche Fahrer sei nicht zur Arbeit erschienen – die Geschichte mit dem Stau hat ja wohl eh keiner abgekauft, besser absprechen hätte man sich aber dennoch können… Er versuchte die Situation mit einem witzigen Spruch („Wenn jemand einen guten Busfahrer kennt, ich schätze, bei uns wird demnächst eine Stelle frei…“) aufzulockern, bevor er uns noch wissen ließ, dass er ja gleich noch eine andere Fahrt habe, in der nächsten Stadt also ein schneller Fahrerwechsel stattfinden würde, da der Kollege, der nun ebenfalls ersatzweise eingesprungen war, so eine kürzere Anfahrt von Zuhause hätte.
9.10 Uhr. Immer noch fast eine Stunde Fahrt bis zum Flughafen, manche Flüge gehen aber dummerweise schon um 9.50 Uhr. Der mittlerweile ausgetauschte Fahrer drückt aufs Gas und auf’s Handy, um die knappsten Flüge in ihrer Abflugzeit nach hinten verschieben zu lassen. Bei mir denke ich *I got the power*, wie cool wäre das, einfach anrufen und der Abflug wird mal eben ein paar Minuten verschoben.
9.50 Uhr. Der Busfahrer heizt die Straße zum Terminal hoch. Lässt uns direkt vor dem Terminal aussteigen. Ich mach gemächlich, lass die andern zuerst raus, die haben’s eiliger als ich.
9.53 Uhr. Ich weiß, von welchem Terminal ich abfliege, also ist Zeit für eine Zigarette. Und ’nen Schnaps. Nach all der Aufregung.
10.00 Uhr. Ich kauf mir ’nen Margarita-in-der-Dose und ein Buch. Immerhin muss ich das Geld für das nichtbezahlte Shuttle ja noch loswerden… Ich facebooke und twittere, rauche, und warte darauf, dass mein Freund endlich aufwacht und mir gefälligst über Whatsapp noch eine gute Reise wünscht und mir nochmal bestätigt, dass schon alles schief gehen wird.
Aber eigentlich meinte ich das sprichwörtliche schiefgehen, nicht das wörtliche. Nachdem ich nach der etwas chaotischen Shuttlefahrt und den darauffolgenden Margarita wieder etwas ruhiger wurde, überkam mich die durch tagelangen Schlafmangel angezüchtete Müdigkeit.
11.10 Uhr. Check-in. Von der Lächerlichkeit der Gesetze hinsichtlich Flüssigkeitstransport im Flugzeug, fang ich jetzt mal erst gar nicht an.
11.30 Uhr jedenfalls durch die Kontrolle durch. Um 11.40 Uhr öffnet das Gate. Laut Plan. Tatsächlich öffnet es fast 20 Minuten später.
11.57 Uhr. Ich glaub, ich schlaf im Stehen ein.
12.07 Uhr. Niemals starten wir um 12.10 Uhr, wie geplant.
12.25 Uhr. Abflug.
Flug Gott sei Dank ohne weitere Zwischenfälle bis auf einen kleinen, der in der Sitzreihe hinter mir passierte, den ich euch nicht vorenthalten will:
Älteres Ehepaar, er sitzt am Fenster, sie im Mittelsitz. Draußen, geschlossene Wolkendecke.
Sie zu ihm: „Wo sind wir jetzt?“
Er: „Wie?“
Sie: „Na, wo wir jetzt sind?! Du sitzt doch am Fenster, kannst doch mal gucken.“
Ich still vor mich hin: „Nicht echt jetzt, oder?!“
Er guckt kurz (wie gesagt: Wolken): „Österreich.“
Im gleichen Moment fliegt das Flugzeug eine leichte Kurve.
Sie: „Ah ja?! Und wieso fliegt der dann jetzt ’ne Kurve?“
Ich liebe Fliegen. Herrlich. Puh!!!
14.15 Uhr. Landung.
14.20 Uhr. Busticket vom Flughafen zum Hauptbahnhof gekauft und über die Örtlichkeit der Haltestelle informiert worden. Und komplett verpeilt. Also erstmal komplett rausgelaufen aus dem Flughafengelände und auch eine Haltestelle gefunden. An der stand aber „Fermata temporaneamente non attiva“ – diese Haltestelle wird vorübergehend nicht bedient. Was zur Hölle? SMS an meinen Freund, der mich umgehend zurückruft und mir sagt, dass ich falsch bin und wieder ins Geländer rein muss. Natürlich wirkte es auf mich auch unsinnig, dass der Bus nicht direkt am Flughafen abfahren sollte, aber naja, andere Länder, andere Sitten. Was weiß ich schon. Und in Pescara war ich noch nie.
Also zurück, dann endlich auch die richtige Haltestelle gefunden, aber für den Zug um 15.10 Uhr war’s da natürlich auch schon zu spät.
14.50 Uhr. Der Bus setzt sich in Bewegung zum Hauptbahnhof Pescara. Juhu. Geschafft.
Dachte ich.
15.15 Uhr. In den Bahnhof rein.
15.16 Uhr. Was ist hier los?
15.20 Uhr. Streik.
15.20:10 Uhr. Geht heute auch noch nur irgendwas glatt?
15.22 Uhr. Ah, gut, um 15.30 Uhr fährt ein Zug. Und er hat 10 Minuten Verspätung. Reicht zum Ticketkaufen.
15.23 Uhr. Toll, die Ticketautomaten funktionieren nur mit Kreditkarte bzw. zwar schon EC-Karte, aber nicht mit einer deutschen.
15.29 Uhr. Ich bin gleich dran, ich bin gleich dran, die Schlange am Schalter wird schnell bedient. Juhu.
15.32 Uhr. Ticket gekauft, ab zum Gleis. Am Gleis eine Durchsage, das Abfahrtsgleis wurde geändert.
15.35 Uhr. Ab ans andre Gleis.
15.36 Uhr. Hier ist kein Zug.
15.37 Uhr. Aber ein älteres Ehepaar. Sie kommt aus der gleichen Stadt, wie mein Freund. Sie sagen mir, in 20 Minuten führe ein Zug. Der steht zwar nicht auf dem Plan, aber die wollen da schließlich auch hin, die werden’s ja wissen. Bis zur Abfahrt etwas Geplänkel mit den beiden Alten. Dazwischen:
15.40 Uhr. Der Automat klaut mir nen Euro und gibt mir dafür kein Wasser aus!!! Argh! Ich verdurste!!
15.56 Uhr. Der Zug fährt ein. Ich geh erstmal in die Zugtoilette, die lange, schwere Jogginghose, die mir morgens noch gute Dienste getan hat, gegen eine kurze Hose austauschen.
Zwischen 15.58 Uhr und 16.10 Uhr (Abfahrt) viel zu viele, weil teure SMS mit meinem Freund, darüber, dass er den Zug nicht auf der Website der Ferroveria finden kann, ob ich sicher sei, dass der Zug nach Termoli führe… Ich werde unsicherer, aber nach der 4. Haltestelle erkenne ich die Landschaft wieder. Also richtig. Was für ein Glück.
16.25 Uhr. Ich fange an, mich zu entspannen und diesen Blogeintrag zu verfassen.
16.57 Uhr. Der Schaffner kommt zu mir und fordert mich auf, den Zug zu verlassen.
Aber wir sind doch noch gar nicht da?!
Ich frage nach, sage, dass ich dachte, der Zug führe bis zu meinem Endziel. Nein, klärt er mich auf, ich müsse hier umsteigen, der nächste Anschlusszug ginge um 17.58 Uhr.
Ich denke mir, dass sich durchdrehen jetzt auch schon nicht mehr wirklich lohnt, nachdem ich es fast geschafft habe. Also rufe ich meinen Freund an, um ihm zu sagen, dass er nicht um 17.30 Uhr am Bahnhof in seiner Stadt sein zu braucht. Kläre ihn über das Zugdurcheinander auf. Und er?
Er sagt, „gib mir 20 Minuten, ich hol’ dich ab.“
Die Wartezeit verkürzt mir ein älterer Herr, der mir aber nach ein paar Minuten auch sagt, er habe eine Verabredung mit seiner Frau und wenn er nicht pünktlich wäre, gäb’s ’nen Satz heiße Ohren. Jedenfalls fand er es beachtlich, dass man wegen ein paar Tagen so einen Aufwand auf sich nimmt, nur um seinen Freund zu sehen. Ja, sage ich, mir fällt das auch immer schwerer, je länger es geht. Er sagt mir zum Abschied noch, dass ich eine ‘bella ragazza’ sei und geht dann seiner Wege. Er will ja vermeiden, eine hinter die Löffel zu kriegen zu Hause.
Mein Freund kommt kurz danach.
18.20 Uhr. Angekommen. Und hundemüde.
P.S. Das Wetter ist BOMBE!! Irgendwas ist also doch glatt gelaufen!
